Wie ich von meiner Freundin, einer Theater-Besucherin aus Leidenschaft, erfahren habe, beruht Kriegensburgs Inszenierung auf der Vorlage des gleichnamigen Romans von Friedrich Schiller, das Theaterstück setzt jedoch mitten in der Inhaftierungszeit von Maria Stuart ein: 19 Jahre sitzt sie bereits in Haft, Queen Elisabeth I. lässt lediglich noch mit dem unterschriebenen Todesurteil auf sich warten.
Wir besuchen das Stück der „Maria Stuart“ gemeinsam und sind sehr gespannt, ob es dem Ensemble gelingen wird, das Schauspiel zwischen den beiden einflussreichen Frauen überzeugend darzubieten!
Bereits das Bühnenbild vermittelt mir als Zuschauer ein eindrucksvolles Konzept eines Kerkers. „Es wirkt alles so düster, kalt und eng – wie in einem richtigen Kerker“, lässt mich meine Freundin zu Anfang wissen. „Ich finde es auch faszinierend, dass diese Raum mit wenigen Lichteffekten ganz schnell in einen prunkvollen Königshof verwandelt werden kann,“ entgegne ich. Dann wandern meine Blicke zu den Schauspielern, die auf die Bühne kommen: Auch die historischen Kostüme wirken in meinen Augen sehr authentisch und ich fühle mich in die viktorianische Zeit zurückversetzt!
Und dann geht es auch schon los: Brigitte Hobmeier ist schon von Anfang an ganz bei sich, als Hauptakteurin Maria Stuart. Meine Freundin flüstert mir zu, dass ihr die monotone Sprache, der schleppender Gang und eine allgemeine Schwerfälligkeit auffällt, sie die Gefangenschaft nach über 19 Jahren im Kerker aber glaubhaft verdeutlichen. Für mich wirkt die Hauptdarstellerin schwach und resigniert, aber bewegt sich im Gegensatz zu den anderen Schauspielern recht frei. Von Minute zu Minute wird mir klar, dass alle Akteure gleichermaßen gehemmt agieren, – warum eigentlich? – und meine Freundin verweist mich auf die abgegrenzten gesellschaftlichen Positionen, die Akteure sollen so sinnbildlich in ihren gesellschaftlichen Schranken dargestellt werden. In Ordnung, das wäre mir selbst wohl nicht aufgefallen!
Dann beobachte ich den fanatischen Katholiken Mortimer, gespielt von Max Simonischek: Für mich ist er geradezu besessen von der Liebe zu Maria Stuart, möchte er sie um jeden Preis befreien. Er spielt mit dynamischer, ja fast fiebriger Inbrunst die Rolle des religiösen Eiferers und wirft sich ihr regelrecht an die Brust. Zumindest kommt jetzt ein wenig Dynamik ins Geschehen! Annette Paulmann tritt als staatliche Herrscherin Englands in Erscheinen. Sie habe so eine schöne Optik, die ihre Machthungrigkeit unterstreicht, sie sieht wirklich wie eine schillernde Herrscherin aus, flüstert mir meine Freundin zu. Sie scheint sehr beeindruckt von der Darstellerin zu sein und erzählt mir leise von den sprachlich perfekten Betonungen der Verse. Da ich von solchen Dingen nichts verstehe, genieße ich vor allem die Handlung und die schöne Sprache der Königin von England. Und natürlich ihr hübsches Kleid mit Brokat-Muster und einem Stehkragen.
Für meine Freundin gestaltet sich das Stück wohl vorhersehbar, allerdings ist sie auch vom fulminanten Höhepunkt begeistert. Fasziniert beobachten wir das Zusammentreffen der beiden Rivalinnen im dritten Akt. Mal gehen sie aufeinander zu, mal schweigen sie. Gibt es etwa doch noch eine Versöhnung? Oh nein, am Ende verkündet die Königin das Todesurteil und beide gehen für mich sehr distanziert auseinander. Der Unterschied zwischen Gut und Böse, frei und unfrei scheint hier wohl doch zu groß zu sein.
Meine Freundin empfand den Theaterabend gelungen und meint, das Stück sei nah an Schillers Original orientiert! Ich kann ihr da nur zustimmen: Text, Schauspiel und Bühnenbild wirken stimmig und weder zu platt noch überladen. Für mich wurde viel mit Worten gesagt, aber auch sehr viel nicht gesagt. Die Politiker hatten ebenfalls eine sehr stoische Haltung, die gut zu der allgemein bedrückenden Atmosphäre gepasst hat. Insgesamt ein sehr empfehlenswertes Stück, wenn man sich für klassische und zeitlose Aufführungen begeistern kann.
Bildnachweis: Münchner-Kammerspiele, alle Fotos © Judith Buss