Stundenlang kann ich über Faust sprechen. Schon in der Schule hat mich das Meisterwerk von Goethe einfach nur fasziniert und bis heute hat sich daran nichts geändert. Ich habe bereits mehrere Bühnen besucht, die Faust auf die eine oder andere Weise interpretiert haben und war jedes Mal beeindruckt.
Aber ich bin ehrlich: Dieses Mal erwarte ich noch mehr. Natürlich waren die Stücke am Deutschen Theater oder im Nationaltheater in Weimar spannend. Jetzt steht Faust aber demnächst auf der Volksbühne in Berlin auf dem Plan. Allein diese Location sorgt dafür, dass mein Herz höher schlägt.
Video: Frank Castorfs beim Applaus für den Abschieds-„Faust“ an der Volksbühne Berlin
Video wurde nachträglich am 18.06.2018 eingefügt.
Schwarz auf Weiß: Faust als ein Blick auf das europäische Bürgertum
Johann Wolfgang von Goethe hat mit seinem Werk „Faust“ die Welt aus einem Märchenschlaf geweckt. Er hat dafür gesorgt, dass auch noch Jahrzehnte nach der Veröffentlichung das Werk für Zündstoff sorgt. Besonders spannend ist es, die verschiedenen Interpretationen auf den Bühnen zu sehen. Ich habe, dank unterschiedlicher Intendanten, bereits ganz unterschiedliche Blickwinkel auf Faust erhalten. Nun freue ich mich sehr auf die Variante aus der Feder von Frank Castorf.
Frank Castorf selbst sorgt dafür, dass die Erwartungen hoch sind. Tragödie ist der Begriff, mit dem Goethe sein Werk beschrieben habt. Dabei hat er vor allem Faust selbst in den Fokus der Tragödie gestellt. Doch es gibt noch andere Möglichkeiten, den Text zu lesen: zwischen den Zeilen. So geht Castorf mit seiner Interpretation davon aus, dass das Drama weit hinter die Mauern blickt. Diese Mauern schirmen das europäische Bürgertum ab. Sie verbergen ein komplexes Gebilde aus Schuld und fehlender Sühne, das in diesem Stück nun aufgegriffen wird.
Besonders toll: Ich freue mich sehr auf das Bühnenbild, denn hier war Aleksandar Denić aktiv. Tatsächlich habe ich schon einige Bühnenbilder von ihm bewundern dürfen und dass diese als sehr schön gelten, zeigt auch seine Auszeichnung mit dem Deutschen Theaterpreis. Diesen hat er 2014 erhalten. Damals gab es den Preis für „Der Faust“. Hier wurden sowohl Bühne als auch Kostüme gekürt. Es kann sich daher lohnen, bei dieser neuen Umsetzung eines alten Stückes auch den Hintergrund nicht aus den Augen zu verlieren.
Schwarz auf Weiß: Faust durch die Länder begleiten
Das deutsche Bürgertum spielt durchaus eine große Rolle in dem Drama, es spielt hier aber nicht die einzige Rolle. Die Zuschauer werden mitgenommen auf eine Reise durch Europa, die einen bleibenden Eindruck hinterlassen wird. Ausflüge werden unter anderem nach Frankreich übernommen. Das Zweite Kaiserreich hat zur damaligen Zeit Frankreich bewegt. Auf der Bühne wird es wieder zum Leben erweckt. Besonders spannend finde ich den Hinweis darauf, dass Castorf nicht nur mit Faust selbst arbeitet, sondern auch mit Fremdtexten. Dieser Fakt dürfte das Thema noch deutlich spannender machen.
Zuletzt sind es auch die ausgewählten Schauspieler, die mich vor die Bühne locken. Immerhin werden hier auf der Bühne unter anderem Marc Hosemann und Alexander Scheer zu sehen sein. Die Erwartungen werden vermutlich nicht enttäuscht. Schwarz auf Weiß: Wenn Faust auf eine so neue Weise interpretiert wird, so ist dies allein bereits ein Punkt, der für das Stück spricht.
Die Interpretation hat der Intendant in ein Stück verpackt, dass die Zuschauer über einen Zeitraum von 6 Stunden und 50 Minuten beschäftigen wird. Wer dabei keinen trockenen Hals bekommen möchte, der kann sich die Live-Übertragung auch in der Bornemann Bar ansehen.
Fakt ist: Mit Faust in dieser Zusammenstellung dürften die Zuschauer wohl gefordert werden und ein Stück voller Wahnsinn und Genie erleben.
Bildnachweis:©Titelbild: David Baltzer -#01: David Baltzer